Gazprom: „Die EU schädigt die Gaskunden“

(c) Reuters (Gleb Garanich)
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Alexander Medwedjew, Exportchef von Gazprom, über seine Konflikte mit Brüssel, die Gefahr eines neuen Gasstreits mit der Ukraine und seine Zuversicht, die Marktanteile in Europa weiter zu steigern.

Moskau. Miteinander wird es von Jahr zu Jahr schwieriger. Aber ohne einander geht es auch nicht: Russland und die EU sind in Sachen Gas voneinander abhängig. Doch während die EU verzweifelt alternative Quellen sucht, will Russland den Weg des Gases von der Förderung bis zum Endkunden kontrollieren. Alexander Medwedjew, Vizechef und Exportleiter des staatsnahen russischen Monopolisten Gazprom, verriet der „Presse“ seine Pläne für Energiekooperationen der Zukunft.

Die Presse: Die EU versucht, den Gasmarkt zu liberalisieren. Russland wehrt sich. Sind die angehäuften Gegensätze überhaupt überwindbar?

Alexander Medwedjew: Unser Ziel ist eine stärkere Energiesicherheit in Europa. Die EU-Energiepolitik kann zu weniger Investitionen in die Infrastruktur führen und Spekulanten anlocken. Das kann die Volatilität erhöhen, zum Schaden der Endkunden. Es ist effizienter, wenn ein vertikal integriertes Unternehmen den ganzen Prozess bis hin zum Endkunden abwickelt.

Die EU will verhindern, dass Gasverkäufer auch Transportnetze besitzen. Das vereitelt Ihr Vorhaben, zum lukrativen Endkundengeschäft vorzudringen.

Medwedjew: Unser Erfolg in Europa hängt nicht von einer Kontrolle über Verteilernetze ab. Wir müssen einfach mit unabhängigen Transportfirmen arbeiten.

Experten befürchten Strohmannfirmen, um in Europa nicht wie ein monströser Monopolist auszusehen.

Medwedjew: Die neuen Regeln mit Strohmannfirmen zu umgehen ist unmöglich. Gazprom hat das nie in Betracht gezogen. Wir haben keine einzige Strohmannfirma und werden auch keine haben.

Die EU forciert die Alternativpipeline Nabucco und vereinbart hinter dem Rücken Russlands die Modernisierung des ukrainischen Leitungssystems. Stellt das nicht das Geschäft mit Ihrem Hauptkunden infrage?

Medwedjew: Wir kooperieren seit über 40 Jahren. Gazprom ist von der strategischen Partnerschaft überzeugt. Das Unterpfand dafür ist der Bau der Pipelines „South Stream“ und „Nord Stream“. Wir haben sie initiiert, um die steigende Nachfrage zu bedienen.

Die Gasnachfrage geht zurück. Viele zweifeln an der Notwendigkeit und Effizienz neuer Pipelines. Warum gehen Sie dieses Risiko ein?

Medwedjew: Trotz Wirtschaftskrise sind sich die Experten einig, dass der Gasverbrauch mittel- und langfristig steigt – schon aus ökologischen Gründen. Ohne russisches Gas und zusätzliche Routen wird die EU-Nachfrage nicht zu befriedigen sein. Wir investieren Unsummen in die neuen Routen. Es ist kein Geheimnis, dass es die Transitrisken erhöht, wenn wir von einem de facto monopolisierten Korridor abhängig sind.

Sie meinen die Ukraine. Warum ist es für Gazprom so wichtig, bei der Modernisierung des dortigen Pipelinenetzes teilzunehmen?

Medwedjew: Die Regierung in Kiew hat den Betrieb des Netzes ohne Abstimmung mit Russland geändert. Das ist eine Einmischung in die russische und zentralasiatische Gasförderung. Wir schlagen ein internationales Konsortium zur Modernisierung und Anmietung des ukrainischen Netzes vor. Und Russland erhebt keinen Anspruch, die Oberhand zu haben. Unsere europäischen Partner zeigen bereits Verständnis.

Also eine Allianz mit deutschen, italienischen und französischen Gasfirmen, mit denen Sie sich im April getroffen haben, gegen Brüssel?

Medwedjew: Nein, es gibt keine Opposition gegen wen auch immer. Aber wir und die großen europäischen Abnehmer sind besorgt wegen der bedrohlichen Situation.

Kann sich ein Gasstreit wie im Jänner wiederholen?

Medwedjew: Die neuen Verträge verringern die Risken. Aber die Ukraine bleibt ein instabiles Land. Wir brauchen also einen neuen Mechanismus zur Abwendung von Krisen. Die Energiecharta hat sich als unwirksam erwiesen. Deshalb hat Russland einen Entwurf für ein neues Dokument ausgearbeitet.

Laut Zeitplan sollte „Nord Stream“ ab Mitte 2010 gebaut und 2011 in Betrieb genommen werden. Sind der Zeitplan und die veranschlagten Kosten von 7,4 Mrd. Euro zu halten?

Medwedjew: „Nord Stream“ wird sicher zeitgerecht gebaut werden. Die Krise wirkt sich übrigens auf das Projekt positiv aus, weil Materialien und Dienstleistungen billiger werden.

Aber sie wirkt sich auch negativ aus: Die Regierung verschiebt die überfällige Anhebung der Inlandspreise, der Exportpreis bricht ein. Ihr Umsatz in Europa geht heuer um 40 Prozent zurück. Was bedeutet das für Ihr Investitionsprogramm?

Medwedjew: Trotz Flaute sind wir optimistisch. Das Ergebnis 2009 sollte mit 2007 vergleichbar sein. Über die Korrektur des Investitionsprogramms entscheiden wir zur Jahresmitte. Für prioritäre Projekte werden wir aber ausreichend Geld zur Verfügung haben.

Wird ihr Marktanteil in der EU sinken? Bis 2020 wollten Sie ihn von 26 auf über 30 Prozent steigern.

Medwedjew: Europa braucht 2025 zusätzliche 200 Mrd. Kubikmeter Gas und muss zu 80 Prozent importieren. Wir ändern die Pläne für unseren Marktanteil nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2009)

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